Bußgeld, Schadensersatz, Vertragsrücktritte, unwirksame Verträge – dies sind die möglichen Folgen, wenn der Unternehmer die aktuellen Gesetzesänderungen nicht beachtet. Aber nicht nur das ist neu: Der Gesetzgeber hat quasi das komplette Schuldrecht und Verbraucherrecht neu gestaltet. Die Änderungen sind teilweise schon in Kraft getreten, teilweise treten diese noch bis 01.07.2022 in Kraft. Die Zeit wird eng, denn einige erfordern nicht nur Änderungen bei den Informationspflichten, sondern auch technische Umsetzungen!
Die nachfolgende Darstellung ist ein Versuch, die zahlreichen Änderungen in Ihrer Systematik übersichtlich darzustellen.
Wichtigste Frage zuerst: Gelten die neuen Regelungen auch für den B2B-Verkehr?
Die meisten Vorschriften gelten unmittelbar nur zugunsten der Verbraucher. Allerdings wendet der Bundesgerichtshof (BGH) über §§ 307, 310 BGB zahlreiche vermeintliche Verbrauchervorschriften auch auf den B2B-Verkehr an. Hierbei nimmt der BGH jeweils eine offene Abwägung vor. Das kann daher dazu führen, dass zahlreiche der nachfolgenden Änderungen auch für den B2B-Verkehr zu beachten ist.
Hinzu kommt, dass viele Regelungen für Betreiber von Online-Marktplätzen (also auch hier B2B und B2C) neue Informations- und Organisationspflichten schafft.
1. Einführung des digitalen Zeitalters in das BGB und die damit verbundene Änderung des Mängelrechts
Mit Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie (RL 2019/711) und der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (RL 2019/770) hat die Bundesregierung im B2C – Bereich nun auch digitale Produkte und Dienstleistungen in das BGB integriert.
Die Regelungen gelten seit 01.01.2022.
Um was geht es?
Erfasst ist jegliche Bereitstellung digitaler Inhalte (bspw. Software, Audio-/Video-/Musikdateien, digitale Spiele, E-Books, Applikationen etc.) oder digitaler Dienstleistungen (bspw. Cloud Computing, Software as a Service, Datenbanken, Plattformverträge, Webanwendungen, Streamingdienste, Soziale Netzwerke, Verkaufs-, Vergleichs-, Buchungs-, Vermittlungs-, Bewertungsplattformen) (nachfolgend: „Digitale Produkte“). Die Vorschriften gelten mit wenigen Ausnahmen auch für Datenträger solch digitaler Daten, nämlich bspw. DVDs, USB-Sticks, Speicherkarten.
Mit der Warenkaufrichtlinie wurden darüber hinaus auch Produkte mit digitalen und smarten Funktionen (insbes. Smartphones, Smart-Devices, Smart-Home-Geräte, digitale Haushaltsgeräte, Spielekonsolen, digitale Sprachassistenten, KfZ mit integrierter Navigation) in die Neuregelung einbezogen.
Nachdem man für Inhalte zwischenzeitlich nicht nur mit Geld „bezahlt“, sondern auch mit elektronischen/fiktiven/virtuellen Währungen oder Daten, wurden auch hier entsprechende Änderungen gleich mit aufgenommen und gewisse Informationspflichten gesetzt.
Was sind die wichtigsten Änderungen?
- Neudefinition des Sachmangelbegriffs: Dieser erfasst nun auch die subjektiven Vorstellungen des Käufers und gilt weitgehend auch im B2B-Bereich. Es reicht nicht mehr aus, wenn die Kaufsache der vereinbarten Beschaffenheit entspricht; vielmehr muss die Sache den objektiven (branchenüblichen) und den subjektiven Anforderungen sowie den Anforderungen an die Integration entsprechen. Die stellt eine erhebliche Ausweitung des Mangelbegriffs dar und gilt nicht nur für digitale Produkte, sondern allgemein. Bei digitalen Produkten jedoch sind zusätzlich dazu Kompatibilität, Integrität und Zugänglichkeit, Kontinuität, Funktionalität und Sicherheit zu berücksichtigen. Zukünftig kann auch bereits dann ein Mangel vorliegen, wenn die das für den Betrieb notwendige Zubehör nicht dabei ist, ohne Bedienungsanleitung geliefert wird, ein Produkt hinter gleichartigen Produkten zurückbleibt, weil bspw. die Technik veraltet oder zu erwartende Schnittstellen nicht vorhanden sind. Auch die Nichteinhaltung der DSGVO kann dazu führen, dass ein Sachmangel vorliegt.
- Änderungen bei den Verjährungs- und Beweislastregelungen
- Regelung der Leistungszeit bei digitalen Produkten
- Regressmöglichkeiten zwischen Händler und Hersteller/Anbieter
- Informationspflichten bei Garantien
- Änderungen an digitalen Produkten (auch Verbesserungen) können zu einem Sonderkündigungsrecht des Verbrauchers führen
- Und die meist diskutierte Änderung: Die Updatepflicht!!! Bislang galt, dass Mangelfreiheit bis zur Übergabe des Produkts vorliegen musste. Einen Anspruch auf Aktualisierung hatte man nur während der Wartungszeit oder aufgrund eines gesonderten Supportvertrages. Ggf. hatte man noch eine Pflicht zur Risikowarnung nach BGH und gem. § 3a BSIG, Art. 32 DSGVO.
Nunmehr müssen dem Verbraucher kostenfrei Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind – und zwar für den gesamten Bereitstellungszeitraum (wie lange dieser andauert, beurteilt sich nach unterschiedlichen Kriterien). Andernfalls ist das Produkt bereits mangelhaft. Vertragliche Abweichungen sind unter strengen Voraussetzungen und in gewissen Grenzen erlaubt. Es lohnt sich jedoch, sich darüber Gedanken zu machen.
In einem weiteren Gesetz wurde nun mit Geltung am 28.05.2022 das Widerrufsrecht für digitale Produkte geändert. Je nachdem, ob mit Daten „bezahlt“ wurde oder mit Entgelt bzw. ob die digitalen Inhalte auf einem dauerhaften Datenträger geliefert worden sind oder nicht, sind bestimmte Informationen in der Widerrufsbelehrung und bestimmte Schritte für den Widerrufsverzicht durch den Verbraucher erforderlich.
Die Anpassungen in der Widerrufsbelehrung sollten gemäß neuem Muster bis 28.05.2022 vorgenommen werden, da ansonsten empfindliche Folgen drohen – mitunter auch Bußgeld und Schadensersatz.
2. AGB und Informationspflichten
Bereits letztes Jahr im Oktober 2021 trat die erste Regelung des Gesetzes über faire Verbraucherverträge in Kraft, wonach Abtretungsausschlüsse in AGB teilweise ausgeschlossen wurden.
Seit März 2022 dürfen Abonnementverträge den Verbraucher nicht länger als 2 Jahre binden und die Kündigungsfristen nicht länger als 1 Monat ausgestaltet sein. Dazukommend sind stillschweigende Verlängerungen nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.
Neu ist ab 1. Juli die Pflicht, bei Dauerschuldverhältnissen eine Kündigungsschaltfläche zu schaffen. Hierbei sind mitunter einige Besonderheiten hins. der räumlichen Platzierung, Beschriftung, Information etc. zu beachten.
Darüber trat 2020 EU-weit die sog. „Omnibus“-Richtlinie (Nr. 2019/2161) in Kraft. Deutschland hat hierbei ein Gesetzespaket verabschiedet, das dem Begriff „Omnibus“ alle Ehre macht. Die Regelungen treten am 28.05.2022 in Kraft und sind bis dahin umzusetzen!!
Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Änderungen in Bezug auf AGB und Informationspflichten zusammen:
- Passen Sie Ihre Widerrufsbelehrungen und -formulare an. Das Fax hat endlich auch beim Gesetzgeber Auszug gehalten und muss nun nicht mehr angeführt werden.
- Die Wertersatzvorschriften im Fall des Widerrufs wurden geändert.
- Im elektronischen Geschäftsverkehr müssen Informationen zur Funktionalität der Waren mit digitalen Elementen einschl. technischer Schutzmaßahmen aufgenommen werden sowie Angaben zur Kompatibilität und Interoperabilität.
- Ob der Preis auf Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde
3. Online-Marktplätze
Online-Marktplätze mussten bereits 2020 aufgrund der Platform-to-Business-Verordnung zahlreiche Informationspflichten wahren und einige Umstellungen vornehmen. Nun müssen diese ebenfalls bis 28.05.22 umgesetzt werden, insbesondere
- bei ihren Anbietern in Erfahrung bringen, ob diese Unternehmer oder Verbraucher sind und diese Information gegenüber den Käufern offenlegen
- Informationen zu einem eventuellen Ranking bereitstellen
- Weitergehende Informationen bei Verkäufen von Eintrittsberechtigungen geben
- Weitergehende Informationspflichten gem. EGBGB erfüllen, die bei Nichtbeachtung zu Bußgeld führen können.
4. Preisangaben
Die Omnibus-Umsetzungen beinhalten auch Änderungen in der Preisangabenverordnung mit dem Ziel, alles noch transparenter zu machen.
Bis 28.05.2022 sollten daher dringend alle Preisangaben überarbeitet werden, so u.a.
- sind für Grundpreisangaben künftig nur noch Mengeneinheiten von 1kg oder 1l anzugeben (nicht mehr wie bisher für 100g etc.) – um eine bessere Vergleichbarkeit zu schaffen.
- Pfandbeträge sind neben dem Gesamtpreis anzugeben und nicht einzubeziehen.
- Bei Preisermäßigungen ist der vorherige Preis anzugeben – und zwar derjenige, der innerhalb der letzten 30 Tage vor der Ermäßigung angewendet worden ist
5. Änderungen im Wettbewerbsrecht
Seit Oktober 2021 müssen Unternehmen aufgrund des Gesetzes über faire Verbraucherverträge nunmehr sicherstellen, dass Einwilligungen in Telefonwerbung nicht nur vorliegen, sondern auch dokumentiert und nach jeder Verwendung der Einwilligung (!!!!) 5 Jahre aufbewahrt wird! Andernfalls kann ein Bußgeld bis zu 300.000 Euro fällig werden.
Auch die bereits erwähnte Omnibus-Richtlinie hält einige Änderungen ab 28.05.22 im Wettbewerbsrecht parat, so u.a.
- Die Blacklist der unlauteren Handlungen im Anhang zum UWG wird ergänzt, u.a. im Zusammenhang mit dem Weiterverkauf von Eintrittskarten, der Darstellung von Kundenbewertungen und verdeckter Werbung in Suchergebnissen.
- Unternehmer müssen mehr Transparenz hinsichtlich Ihrer Kundenbewertungen schaffen
- Neu eingeführt wurde auch eine Bestimmung, wonach konkret dargelegt wird, welche Informationen der Unternehmer dem Verbraucher nicht vorenthalten darf, da er andernfalls irreführend werben würde. Diese wesentlichen Informationen sind bspw. ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass Kundenbewertungen echt sind. Wird eine Suchfunktion für Waren und Dienstleistungen bereitgestellt, so sind die Hauptparameter und deren Gewichtung darzulegen.
- Der neu geschaffene § 19 UWG enthält einen Bußgeldtatbestand für die Verletzung von Verbraucherinteressen, sofern diese Verstöße weit verbreitet. Die Abwendung des Bußgelds ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die man aber kennen muss.
- Neu ist auch die Möglichkeit, dass der Verbraucher Schadensersatz für unzulässige geschäftliche Handlungen verlangen bzw. ohne Fristsetzung oder Nacherfüllungsverlangen vom Vertrag zurücktreten kann.
6. Regelungen auch für Influencer
Gerade für Influencer wurden neue Regelungen für Kennzeichnungspflichten geschaffen, welche bei jeglichen irgendwie gearteten Vorteilen eingreifen.
Fazit:
Die vorstehenden Ausführungen sind keinesfalls abschließend. Hinzu kommt, dass noch ziemlich unklar ist, wie manche Sachen umzusetzen sind, da die Gesetzesbegründung hierzu leider vieles offen lässt. Folglich sind die rechtlichen Vorgaben nicht nur umzusetzen, sondern im Rahmen der Compliance stetig zu kontrollieren und aktualisieren. Der Unternehmer wird nicht umhin kommen, die ersten gerichtlichen Entscheidungen, die relativ schnell fallen werden, genau zu beobachten und ggf. auch anwaltlichen Rat einzuholen.
Natürlich stehen Sie damit nicht allein – gerne beraten wir Sie bei der Umsetzung.
Klicken Sie auf den nachstehenden Button und senden Sie uns eine Anfrage!